Der Mai ist Marienmonat. In katholischen Kirchen werden Gottesdienste zu Ehren der Mutter Gottes gefeiert und Marienstatuen geschmückt mit all der Blütenpracht, die der Mai zu bieten hat:
»Maria, Maienkönigin, dich will der Mai begrüßen.
O segne ihn mit holdem Sinn und uns zu deinen Füßen.
Maria, dir empfehlen wir, was grünt und blüht auf Erden.
Lass uns in dieser Pracht und Zier das Werk des Schöpfers ehren«, so heißt es in einem Marienlied. Als Maria schwanger war mit Jesus, da hat sie ein Lied gesungen. Über dieses Lied hat Dietrich Bonhoeffer einmal geschrieben, es sei das leidenschaftlichste, revolutionärste und wildeste Lied der Bibel. Gesungen von einer schwangeren Frau. Maria singt aus Freude über das Kind, das sie zur Welt bringen wird. Sie singt von Zukunft. Sie singt von Gerechtigkeit. Von Revolution. Weil sie ahnt, das mit ihrem Kind etwas ganz Neues beginnen wird. Etwas, das die Welt, so wie sie ist, für immer verändern wird. Ein mutiges, ein kämpferisches Lied. Maria singt:
Ich lobe den Herrn aus tiefstem Herzen.
Alles in mir jubelt vor Freude
Über Gott, meinen Retter.
Denn Gott, der mächtig ist, handelt wunderbar an mir.
Sein Name ist heilig. Er hebt seinen starken Arm
Und fegt die Überheblichen hinweg.
Er stürzt die Machthaber vom Thron
Und hebt die Unbedeutenden empor.
Er füllt den Hungernden die Hände mit guten Gaben
Und schickt die Reichen mit leeren Händen fort.
Der Mai ist der Marienmonat. Maria, die Maienkönigin. Mit einem Feiertag beginnt bei uns der 1. Mai. Es wird getanzt und gefeiert – am besten draußen im Freien – im Frühling mit all seiner Blütenpracht. Der 1. Mai ist der internationale Tag der Arbeit. Er erinnert an Solidarität. An den Kampf der Arbeiterinnen und Arbeiter für angemessene Arbeitsbedingungen und gerechten Lohn. Auch hier und heute gehen Menschen dafür auf die Strasse. Und deshalb denke ich heute an die singende Maria. Sie tritt neben die schöne Maienkönigin. Und sie singt ihr Lied, mit dem damals etwas ganz Neues begann. Leidenschaftlich, wild und revolutionär.
Jasmin El-Manhy
Lukasevangelium 1, 46–53. Übersetzung: BasisBibel